Literarische Verelendungstheorien (zwei Buchbesprechungen)

Im Sommer habe ich zwei Bücher vom Nachttisch geräumt, die eine interessante Ähnlichkeit aufweisen, über die ich ein paar Worte verlieren möchte: Sie thematisieren indirekt die etwas aus der Mode gekommene linke „Verelendungstheorie“, also die Annahme, da es eine Wende zum Besseren erst geben könne, wenn die Lebensbedingungen der Menschen unerträglich geworden sind, müsse diese Unerträglichkeit aktiv herbeigeführt werden.

Die beiden Bücher:
„Blackout“ von Marc Elsberg (2012), ein Bestseller, der in mittlerweile sechsstelliger Auflage die Folgen eines Stromausfalls in den Industrienationen als Thriller beschreibt.
„Rotwild“ von Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson (2013), ein Krimi, der wie mittlerweile gefühlt jeder zweite in Deutschland gelesene Kriminalroman in Schweden spielt. Weiterlesen

Autonome in Bewegung

Im Juni 2003 erschien im Verlag Assoziation A das Buch „Autonome in Bewegung – aus den ersten 23 Jahren“, in dem wir (fünf 80er-Bewegungsveteranen aus Berlin) unsere Version der autonomen Bewegungsgeschichte vorgestellt haben. Verbunden damit war die Hoffnung, dass andere Leute ihre davon verschiedenen Geschichten auch darstellen, was leider nur teilweise geschah. Das Buch wurde in den vergangenen Jahren mehrfach neu aufgelegt, ist aber momentan fast vergriffen. Weiterlesen

ESF 2002: Weiter, weiter!

Das Europäische Sozialforum in Florenz: Eine erste Bilanz

Das einfachste zuerst, da sich darin nahezu alle einig sind, die über das ESF in Florenz berichten: Das ESF hatte kein Ergebnis, das sich in einer einheitlichen politischen Perspektive, in konkreten Schritten, in Formen der Organisierung oder Institutionalisierung ausdrücken ließe. Was das für die Globalisierungsbewegung, die außerparlamentarischen oder auch die revolutionären Strömungen in Europa bedeutet, wird je nach Blickwinkel aber verschieden beurteilt werden. Weiterlesen

„Day 911“ vs. „Antiglobalisierungbewegung“

Über die Folgen der Attentate vom 11.September

Die Neigung der deutschen Linken, angesichts dramatischer Ereignisse in Bekenntniszwang und Erklärungskonkurrenz zu verfallen, wird durch den 11.September und seine Folgen gnadenlos gefüttert. Ich hoffe, dieser Falle einigermaßen entgehen zu können, und beziehe mich deswegen auch nicht auf die Texte anderer, von denen ich selbstverständlich zahlreiche gelesen habe.

Erwärmung

Es liegt in der Logik der Situation, daß nicht einfach frei von der Leber weg diskutiert wird, sondern der Versuch einer Verständigung über die Basis der Diskussion und der Diskutierenden am Anfang steht. Denn nicht nur das Ereignis selbst, auch seine möglichen Folgen haben sowohl emotional als auch praktisch eine gewaltige Dimension. Insofern kann ich verstehen, daß viele – auch Linke – das Bedürfnis haben, an erster Stelle ihre Gefühle auszudrücken (in den meisten Fällen: Schock und Entsetzen) und gleich danach von anderen einfordern, dasselbe Bekenntnis abzulegen. Weiterlesen

Die große wahre Geschichte von Genua und dem „Black Block“

Vorbemerkung: Dieser von meiner Mister-Hyde-Identität „Sven Glückspilz“ verfasste Text war eine der ersten ausführlichen Stellungnahmen zu den Ereignissen rund um den G8-Gipfel von Genua (18-22. Juli 2001) aus linksradikaler Perspektive. Ich muss dazu allerdings vorausschicken, dass ich damals in Genua nicht dabei war, sondern mich auf persönliche und Medien-Berichte von dort sowie auf meine Lebenserfahrungen stützte. Ich denke, dass die Feststellungen und Schlussfolgerungen in dem Text von dieser „Authentizitätslücke“ kaum in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Schreiben wir die Geschichte vom Gipfel in Genua. Wie wird sie aussehen? Etwa so? Weiterlesen

Der längste 1.Mai-Nachbereitungs-Text aller Zeiten

incl. häufig gestellter Fragen (FAQ) und historischer 1.Mai-Hitliste

1.Kapitel – Der revolutionäre 1.Mai 2000 in Berlin

In einem Jahr mit dreizehn Monden… dreizehn Mal zog nun die revolutionäre 1.Mai-Demo durch Berlin, und wie der Tagesspiegel einmal so richtig bemerkte, gibt es im Frühjahr drei Dinge, auf die Verlaß ist: Ostern folgt auf den ersten Frühlingsvollmond, am 1.Mai gibt es abends Randale und am 2.Mai verkündet der Innensenator, daß das Polizeikonzept ein voller Erfolg und die Schäden niedriger als im Vor­jahr waren. Auch den Inhalt des Nachberei­tungstextes der Antifaschistschen Aktion Berlin (AAB) und/oder der kommunistischen Auto­nomen möchte ich hier kurz verraten: Der 1.Mai war ein großer Sieg, die Bullen haben den Krawall provoziert, nächstes Jahr wird alles noch besser.
War sonst noch was? Weiterlesen