Am 25. April 2017 beeilte sich der selbsternannte deutsche „Qualitätsjournalismus” der öffentlich-rechtlichen Medien, eine ziemlich absurde Behauptung aus einem dubiosen Dokumentarfilm in die Welt zu posaunen und damit die Latte für die eigene Qualität noch etwas tiefer zu legen:
Ein angebliches „NSU”-Graffiti wurde auf dem Trafo-Häuschen in Heilbronn, neben dem 2007 die Polizisten Michèle Kiesewetter und Martin Arnold niedergeschossen worden waren, entdeckt.
Wollen wir einmal zubilligen, dass die Mörder – wahrscheinlich Böhnhardt und Mundlos – sich die Zeit genommen hätten, am 25. April 2007 nicht nur die Ausrüstung der beiden Opfer einzustecken, sondern sich auch noch neben dem Tatort ganz tief zu bücken und mit Edding ein kleines Signatur-Tag an die Mauer zu kritzeln, wobei sie in der Hektik ihr eigens entworfenes NSU-Logo vergessen hatten. Meiner Ansicht nach absolut lebensfern, aber sei’s drum.
Wieso es ein Skandal sein soll, dass die Polizei dieses Graffiti „übersah”, ist vollkommen unerklärlich. Das Trafo-Häuschen war ringsum übersäht mit Graffiti, wie durch zahlreiche Fotos vom April 2007 belegt ist. Die Polizei hatte keinen direkten Anlass, sich diese Graffitis genauer anzusehen. Und selbst wenn – woher hätten die Beamten im Jahr 2007 wohl das Kürzel „NSU” kennen sollen? Der Skandal fällt hier also zum Leidwesen von „Frontal 21” aus.
Aber etwas anderes ist viel wichtiger: Es handelt sich nämlich erkennbar überhaupt nicht um eine Signatur „NSU”. Der Signatur-Tag ist deutlich größer, die sichtbaren Buchstaben sind eher als „NSUN” zu lesen. In dem nebenstehenden Foto habe ich die offensichtlich zusammen gehörenden Teile des Tags, soweit auf dem Foto sichtbar, in rot nachgezeichnet. Der obere Teil des Tags ist überdeckt durch einen größeren gesprühten Tag der lokalen Crew „MOS”, dessen Farbe am oberen linken Bildrand schwach zu erkennen ist.
Der Signatur-Tag muss also deutlich vor dem 25. April angebracht worden sein, so dass der „MOS” (bzw. „MOS YOW”) Tag darüber gesprüht werden und trocknen konnte.
Damit ist die Geschichte in sich zusammengefallen wie ein Soufflé. Guten Appetit!