LCPROWL: Der „Bund Deutscher Jugend” und sein „Apparat” – der Scheinriese unter den Stay-Behind‑ Projekten

Zusammenfassung

a) Der Bund Deutscher Jugend (BDJ)

Der BDJ wurde auf Betreiben der CIA (Office for Policy Coordination, OPC) gegründet und war von seiner Gründung im Juni 1950 bis zu seiner faktischen Auflösung am 31. Dezember 1952 vollkommen abhängig von seiner geheimen Führung durch die CIA. Die CIA finanzierte den BDJ zu 100 Prozent mit insgesamt wohl mindestens 2,5 Mio. DM1. Darüber hinaus war der BDJ inhaltlich weisungsgebunden, die CIA bestimmte seine politischen Äußerungen. Zweck des BDJ war der propagandistische Kampf gegen die DDR und vor allem gegen die Freie Deutsche Jugend (FDJ) in Ost- und Westdeutschland.

Die BDJ-Führungsriege lieferte der CIA allerdings durchweg geschönte und übertriebene Erfolgsberichte, die nach Washington weitergeleitet wurden und eine Fassade der Stärke und Bedeutung des BDJ aufbauten, die dieser real nicht hatte. Ob der verantwortliche CIA-Officer in Frankfurt dafür später zur Rechenschaft gezogen wurde – wie es im Falle der Stay-Behind-Gruppe „Technischer Dienst” geschah – ist nicht bekannt.

So behauptete der BDJ zum Beispiel öffentlich schon wenige Monate nach seiner Gründung, mehr als 16.000 Mitglieder zu haben. Der CIA gegenüber nannte er exakte Zahlen, die bis zum Frühjahr 1952 nicht über 8.000 lagen. Auch diese waren offenbar falsch, denn die sichergestellten Unterlagen des BDJ zeigten Anfang 1953, dass er nie mehr als 2.000 Mitglieder hatte.

Der BDJ bezog seine politische Wirkung vor allem aus der Medienberichterstattung, aus dem Widerstand seiner Gegner und aus einzelnen, gut platzierten Aktivitäten. Diese Aktivitäten waren vor allem bezahlte Aktionen (Druckwerke in hoher Auflage, Postversendungen, Veranstaltungen), die von einem relativ kleinen Mitarbeiterstab bewerkstelligt werden konnten. Vermutlich waren die dazu von der CIA festgehaltenen Zahlen ebenfalls falsch, bei den Veranstaltungen waren deutlich weniger Personen als behauptet, die Gesamtauflage der Propagandawerke (über 10 Millionen insgesamt) dürfte genauso übertrieben gewesen sein wie die BDJ-Mitgliederzahlen.

Ein erheblicher Teil der CIA-Gelder wurde dazu verwendet, den großen Stab von festen MitarbeiterInnen zu bezahlen und vor allem der Führungsriege einen luxuriösen Lebensstil zu erlauben. Erst ab Frühjahr 1952 begann der BDJ tatsächlich, über die wenigen lokal tätigen Einzelgruppen (wie etwa in Bremen, Hamburg, West-Berlin und Frankfurt am Main) hinaus so etwas wie ein Eigenleben als Organisation zu entwickeln. Das Problem des BDJ war dabei, dass er politisch praktisch nur für Rechtsradikale interessant war, die aber der vehementen Betonung der Westbindung Deutschlands – was ja das Kernanliegen war – meist skeptisch gegenüberstanden.

Der Skandal um den Technischen Dienst im Herbst 1952 war gleichzeitig auch das Ende für den BDJ, der zu eng mit dem TD verbunden war um ihn weiterführen zu können. Deshalb löste die CIA zum Jahresende 1953 alle Verbindungen zum BDJ, was dessen Auflösung zur Folge hatte.

b) Der Technische Dienst (TD)

Der TD sollte ursprünglich eine Art bewaffneter Arm des BDJ werden, der gegen die DDR und vor allem die FDJ kämpfte mit dem Ziel eines Umsturzes in der DDR. Durch den Korea-Krieg, der kurz nach Gründung des BDJ im Sommer 1950 ausbrach, änderten sich aber die Zielvorgaben. Der TD wurde im Herbst 1950 mit einem defensiveren Ansatz gegründet, als Partisanengruppe gegen einen möglichen sowjetischen Angriff. Dieser „Geburtsfehler” führte dazu, dass die (im anfänglichen Modell nicht zwingend notwendige) Trennung des TD vom BDJ als Organisation nie konsequent durchgeführt wurde.

Ähnlich wie der BDJ war der TD in weiten Teilen eine Fassade, hinter der einige führende Mitglieder sich ein luxuriöses Leben erlaubten. Der verantwortliche CIA-Officer war hierbei bewusster Mittäter. Die an die CIA gemeldeten Zahlen waren überwiegend Wunsch- und Planziele. Die reale Mitgliederstärke des TD dürfte im Bereich von 100 Personen gelegen haben. Es gab zeitweise militärische Ausbildungskurse bei der US Army, vorwiegend wurde aber „nur” Pistolenschießen geübt und theoretisch ausgebildet. Die reale Kampf- und Einsatzbereitschaft des TD ist mit einem großen Fragezeichen zu versehen, ebenso die Existenz bzw. die Qualität der sogenannten „Liquidierungslisten”.

Die Mitglieder des TD kamen vorwiegend aus dem mittleren Offizierskorps der früheren Wehrmacht, mindestens zwölf waren frühere Offiziere von SS oder Waffen SS, einige waren erheblich NS-belastet. Nach heutigen Maßstäben war der TD eine große rechtsradikale Wehrsportgruppe, die von der CIA mit erheblichen Mitteln finanziert wurde (ca. $ 170.000) und etwa 20 Monate lang existierte.

Eine noch zu klärende Frage ist die mögliche Verbindung zwischen dem TD und der Stuttgarter „Selbsthilfe“, einer Organisation von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren mit dem Ziel einer Art Schwarzer Reichswehr bzw. der schnellen Wiederbewaffnung Westdeutschlands unter ihrer Führung.3

Februar 1950: „…give this project top priority”

Die Geschichte des BDJ begann, wie so manche Geschichte der bundesdeutschen Restauration nach 1945, in den Räumen der „Operational History (German) Section“ der Historical Division der United States Army in Königstein im Taunus. Dort arbeiteten seit 1946 zahlreiche deutsche ehemalige Militärs daran, auf Wunsch des US-Militärs den Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten, und gleichzeitig die eigene Reinwaschung von Kriegsverbrechen sowie den Wiederaufbau einer deutschen Armee zu betreiben. Leitender Kopf war dort der langjährige Generalstabschef Franz Halder, der es wie kaum ein anderer verstanden hatte, seine Autorität von der NS-Zeit in die neue Zeit hinüberzuretten.4

Halder zählte zu den NS- und Wehrmachtsveteranen, die sich nach der Niederlage 1945 auf das Kerngeschäft der deutschen Nationalisten besonnen hatten, nämlich den Kampf gegen Russland und den Kommunismus (was jetzt als „Bolschewismus” in der Sowjetunion in eins fiel), und der sich stark dafür einsetzte, diesen Kampf im Bündnis mit den Westalliierten, d. h. im wesentlichen den USA, zu führen.

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1Das lässt sich schwer auf heutige Werte übertragen: Ein Kaufkraftverhältnis von 10:1 für 1950 gegenüber 2015 zugrundegelegt, würden sich fast 13 Mio. € errechnen lassen; wenn aber die ursprünglich in US$ akquirierten Beträge ($ 600.000) herangezogen werden, ergeben sich nur knapp 7 Mio. € als Vergleichssumme.

2Diese Zahl nannte die SPD am 11. März 1953 öffentlich, sie scheint durchaus realistisch.

3Siehe dazu das Kapitel zu KIBITZ.

4Halder war auch entscheidend daran beteiligt, Reinhard Gehlen als Chef der Org. Gehlen, des späteren Bundesnachrichtendienstes, bei den US-Amerikanern zu platzieren.