NSU: Die Temme-Verschwörung, gesundgeschrumpft

Meine zumeist recht kritischen Kommentare zur Behandlung des NSU-Falles haben vor allem zwei Gründe. Der eine wird in dem Kommentar „Dunkle Mächte“ dargelegt, der andere ist praktischerer Natur: Indem viel Energie darauf verwendet wird, kalten oder fragwürdigen Spuren nachzugehen, werden andere vernachlässigt, die mir wichtiger erscheinen. Dazu gehört die Frage, wer genau die Personen in der rechten Szene waren, die den NSU konkret unterstützten und wer diejenigen sind, die in seine Fußstapfen treten könnten. Denn so schlimm die Morde des NSU waren, scheint mir doch eine ganz zentrale Frage zu sein, wie sich die im Zuge des Skandals hochquellenden Informationen nutzen lassen, um eine Wiederholung zu verhindern. Dass es naiv wäre, sich dabei auf staatliche Behörden zu verlassen, darüber sind Skeptiker wie ich wohl einig mit denen, die nach Verschwörungen suchen.

Ein „Flagschiff“ in der Diskussion um Unstimmigkeiten und mögliche Verschwörungen rund um den NSU ist der Fall Temme, also die mögliche Verwicklung eines Beamten des hessischen Verfassungsschutzes (HLfV) oder gar des Amtes selbst in den Mord an Halit Yozgat am 6.4.2006 in Kassel. Ich will diesen Fall deshalb hier exemplarisch genauer untersuchen. Weiterlesen

Dunkle Mächte

In Bezug auf den NSU glauben viele an eine staatliche Verschwörung – auch Linke

Seit der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im November 2011 wird die Aufklärung der tatsächlichen Geschehnisse begleitet von vielfältigen Spekulationen und Theorien zu möglichen Hintergründen, die bisher unbekannt oder sogar geheimgehalten sind. Angesichts der bisher bekanntgewordenen nachträglichen Manipulationen durch Sicherheitsbehörden sind solche Spekulationen nicht nur naheliegend, sondern durchaus auch sinnvoll. Sie können den öffentlichen Druck erhöhen und weitere schmutzige Geheimnisse ans Tageslicht bringen.

Es ist aber auch die Frage zu stellen, wo diese Art der Debatte umschlägt in das, was gemeinhin als Verschwörungstheorie bezeichnet wird. Diese abwertende Bezeichnung ist verbreitet, aber nicht wirklich treffend: Ihr haftet der Geruch des Verrückten an, was die Kontroverse emotionalisiert; es geht meist auch gar nicht um Theorien, sondern um Meinungen, die durch selektive Recherche und Versuche der logischen Herleitung mehr oder minder überzeugend bewiesen werden. Weiterlesen

Der NSU war nicht die einzige rechte Zelle

Jahrelang planten und verübten Neonazis Anschläge – unter den Augen des Verfassungsschutzes

Seit der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wird immer wieder die Frage gestellt, ob es weitere, bis heute unerkannte Neonazi-Zellen gegeben haben könnte. Im Juni 2012 schrieb ich, dass der NSU als Untergrundzelle einen lokalen Sonderfall darstelle und dass man nicht davon ausgehen könne, dass er Teil einer großen, überregional organisierten Struktur gewesen sei. (ak 573) Damit war gemeint, dass es vermutlich keine Vernetzung mehrerer organisierter Zellen gab. Dass auch außerhalb von Sachsen und Thüringen Personen vom NSU wussten und das »Zwickauer Trio« sogar unterstützten, wurde damit nicht in Frage gestellt.

Gibt es denn darüber hinaus Anzeichen für weitere Zellen? Um das herauszufinden, muss sowohl die rechte Szene der Jahrtausendwende betrachtet werden als auch die bekannt gewordenen Anschläge, die einen rechtsradikalen Hintergrund haben oder haben könnten.
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Oktoberfest-Attentat 1980 Teil 1: Wehrsportgruppe Hoffmann – wie schwer wiegt der Verdacht?

Der Bombenanschlag auf das Münchener Oktoberfest vom 26. September 1980 ist auch nach dreißig Jahren noch immer eine offene Wunde in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Ich habe in den vergangenen Monaten die Ermittlungen – sowohl die offiziel­len wie die kritischen – anhand der mir zugänglichen Informationen nach­gezeichnet. Meine Revision der Ermittlungen insgesamt ist noch nicht veröffent­lichungsreif. Ich möchte an dieser Stelle aber allen, die sich mit dem Thema beschäftigen, zu kriti­scher Dis­tanz bei der Lektüre sämtlicher Quellen raten, da auch in ver­meintlich seriö­sen und „reputablen“ Veröffentlichungen teilweise gravierende Fehler ent­halten sind.

Einen Themenkomplex, der die öffentliche Beschäftigung mit dem Münche­ner Attentat dominiert, möchte ich hier unabhängig von den Gesamtermittlungen behandeln: Über die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) und die damalige Neonazi-Szene gibt es viel Material, das es erlaubt, den Hauptverdacht einer rechts­radikalen Urheberschaft des Münchener Attentats zu diskutieren. Ich will hier gleich vorweg­nehmen, dass ich am Ende zu dem Ergebnis komme, eine Täter­schaft der WSG als Gruppe für unwahrscheinlich zu halten.

Der gesamte Text meiner Untersuchung ist 60 Seiten lang und war hier bis Ende 2013 als PDF verfügbar; inzwischen (Januar 2014) steht er als Teil meiner Gesamtuntersuchung zum Münchener Anschlag zur Verfügung, weshalb hier jetzt nur noch eine Übersicht über die alte Version folgt.

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NSU: Ohne den Verfassungsschutz wart ihr nur zu dritt…?

Zwei der jüngsten Skandal-Meldungen zum Thema NSU stehen symbolisch für einen der wichtigsten und meist diskutierten Aspekte des Falles, nämlich die Frage, welche Rolle die Sicherheitsbehörden zwischen 1998 und 2012 dabei spielten: Die des Mittäters, Mitwissers oder „nur“ des Dummen August? Weiterlesen

NSU: Mordend gescheitert

Sechs Hypothesen zum rechten Terror des NSU

Die folgenden sechs Hypothesen sollen dazu dienen, den NSU möglichst genau einschätzen zu können und die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Sie sind notwendigerweise vorläufig und bedürfen der Weiterentwicklung und gegebenenfalls Korrektur, wenn neue Erkenntnisse auftauchen. Genauigkeit der Analyse ist eines der Mittel im Kampf gegen den rechtsradikalen Terror. Sie sind bewusst zugespitzt formuliert – möge es die Diskussion fördern.

1. Der NSU war eine lokale Erscheinung
Ende der 1990er Jahre gab es in Kameradschafts-Kreisen Diskussionen über bewaffneten Kampf, und auch das Konzept „leaderless resistance“ – also Terroranschläge ohne Tatbekennung, begangen von einem Zellen-Netz ohne Führungszirkel – wurde gerade im Umfeld von Blood&Honour verbreitet. Doch der Gang in den Untergrund war allem Anschein nach nicht planmäßig, sondern von den Umständen bestimmt. Weiterlesen