Der NSU war nicht die einzige rechte Zelle

Jahrelang planten und verübten Neonazis Anschläge – unter den Augen des Verfassungsschutzes

Seit der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wird immer wieder die Frage gestellt, ob es weitere, bis heute unerkannte Neonazi-Zellen gegeben haben könnte. Im Juni 2012 schrieb ich, dass der NSU als Untergrundzelle einen lokalen Sonderfall darstelle und dass man nicht davon ausgehen könne, dass er Teil einer großen, überregional organisierten Struktur gewesen sei. (ak 573) Damit war gemeint, dass es vermutlich keine Vernetzung mehrerer organisierter Zellen gab. Dass auch außerhalb von Sachsen und Thüringen Personen vom NSU wussten und das »Zwickauer Trio« sogar unterstützten, wurde damit nicht in Frage gestellt.

Gibt es denn darüber hinaus Anzeichen für weitere Zellen? Um das herauszufinden, muss sowohl die rechte Szene der Jahrtausendwende betrachtet werden als auch die bekannt gewordenen Anschläge, die einen rechtsradikalen Hintergrund haben oder haben könnten.
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Oktoberfest-Attentat 1980 Teil 1: Wehrsportgruppe Hoffmann – wie schwer wiegt der Verdacht?

Der Bombenanschlag auf das Münchener Oktoberfest vom 26. September 1980 ist auch nach dreißig Jahren noch immer eine offene Wunde in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Ich habe in den vergangenen Monaten die Ermittlungen – sowohl die offiziel­len wie die kritischen – anhand der mir zugänglichen Informationen nach­gezeichnet. Meine Revision der Ermittlungen insgesamt ist noch nicht veröffent­lichungsreif. Ich möchte an dieser Stelle aber allen, die sich mit dem Thema beschäftigen, zu kriti­scher Dis­tanz bei der Lektüre sämtlicher Quellen raten, da auch in ver­meintlich seriö­sen und „reputablen“ Veröffentlichungen teilweise gravierende Fehler ent­halten sind.

Einen Themenkomplex, der die öffentliche Beschäftigung mit dem Münche­ner Attentat dominiert, möchte ich hier unabhängig von den Gesamtermittlungen behandeln: Über die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) und die damalige Neonazi-Szene gibt es viel Material, das es erlaubt, den Hauptverdacht einer rechts­radikalen Urheberschaft des Münchener Attentats zu diskutieren. Ich will hier gleich vorweg­nehmen, dass ich am Ende zu dem Ergebnis komme, eine Täter­schaft der WSG als Gruppe für unwahrscheinlich zu halten.

Der gesamte Text meiner Untersuchung ist 60 Seiten lang und war hier bis Ende 2013 als PDF verfügbar; inzwischen (Januar 2014) steht er als Teil meiner Gesamtuntersuchung zum Münchener Anschlag zur Verfügung, weshalb hier jetzt nur noch eine Übersicht über die alte Version folgt.

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NSU: Mordend gescheitert

Sechs Hypothesen zum rechten Terror des NSU

Die folgenden sechs Hypothesen sollen dazu dienen, den NSU möglichst genau einschätzen zu können und die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Sie sind notwendigerweise vorläufig und bedürfen der Weiterentwicklung und gegebenenfalls Korrektur, wenn neue Erkenntnisse auftauchen. Genauigkeit der Analyse ist eines der Mittel im Kampf gegen den rechtsradikalen Terror. Sie sind bewusst zugespitzt formuliert – möge es die Diskussion fördern.

1. Der NSU war eine lokale Erscheinung
Ende der 1990er Jahre gab es in Kameradschafts-Kreisen Diskussionen über bewaffneten Kampf, und auch das Konzept „leaderless resistance“ – also Terroranschläge ohne Tatbekennung, begangen von einem Zellen-Netz ohne Führungszirkel – wurde gerade im Umfeld von Blood&Honour verbreitet. Doch der Gang in den Untergrund war allem Anschein nach nicht planmäßig, sondern von den Umständen bestimmt. Weiterlesen

NSU: Hat die Antifa versagt?

Das Antifaschistische Info-Blatt (AIB) hat in seiner Ausgabe Frühjahr 2012 mit dem Artikel „Nur zehn Tote mehr?“ schon einen wichtigen ersten Beitrag zur selbstkritischen Aufarbeitung des Falles aus linker Perspektive geliefert. In der Tat stellt gerade die öffentliche Debatte hierzu insofern eine pikante Situation dar, als manche kritische Frage, mit der momentan die staatlichen Sicherheitsbehörden bedrängt werden, sich der antifaschistischen Linken fast wörtlich ebenso stellen lässt. Weiterlesen

NSU: Der Bericht der Schäfer-Kommission, Thüringen

Am 14. Mai 2012 legte in Thüringen die Untersuchungs-Kommission unter Leitung des Bundesrichters a.D. Schäfer (Schäfer-Kommission) ihren Bericht unter dem Titel Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“ vor. Der Bericht umfasst rund 270 Seiten und behandelt nur die Zeit rund um das Abtauchen der drei späteren NSU-Mitglieder in den Jahren 1998-2001. Weil dies eine der wenigen bisher vorliegenden gründlichen Beschäftigungen mit dem Thema ist, soll er hier vorgestellt und zusammengefasst werden. Weiterlesen